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20.11.13
Pferde
Weidemyoblinurie

Achtung große Gefahr für Pferde im Herbst


Atypische Myoglobinurie der Weidepferde

Die atypische Myoglobinurie, im Folgenden kurz als AM bezeichnet, ist seit 1926 bekannt. Der erste große europäische Ausbruch fand 1995 in Deutschland statt (111/115 Pferde starben).  AM tritt meist als Herdenproblematik in Form von „outbreaks“, bei denen mehrere Tiere innerhalb kürzester Zeit erkranken, auf.  In Europa werden jährlich etwa 100 Todesfälle durch AM gemeldet, wobei die Dunkelziffer relativ hoch ist, da die Erkrankung nicht meldepflichtig ist.

AM - Fälle kommen vor allem in den Monaten Oktober und November vor, einen zweiten Peak gibt es im Frühjahr (wenn im Herbst Fälle aufgetreten sind, sind im darauffolgenden Frühjahr weitere zu erwarten!)

Ursache: Ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Neuesten Studien zufolge dürfte es sich um eine Vergiftung mit Ahornsamen, die die Aminosäure Hypoglycin A enthalten, handeln. Hypoglycin A führt zu einer Störung der Fettstoffwechsels und damit der Energiegewinnung in der Muskelzelle.

Risikofaktoren:

Anhand ausgedehnter epidemiologischer Studien konnten zahlreiche Risikofaktoren für ein gehäuftes Auftreten der AM identifiziert werden:

a)     klimatisch:

Den Ausbrüchen folgten oft auf einen ungewöhnlich heißen und trockenen  Sommer und traten zumeist ein bis zwei Tage nach frostigen Nächten mit deutlichen Temperaturstürzen bei eher milden Tagestemperaturen auf. Hohe Luftfeuchtigkeit, Wind und fehlende Sonneneinstrahlung scheinen das Auftreten der Erkrankung ebenfalls zu begünstigen.

b)     Weideverhältnisse:

AM kann auf bestimmte Regionen innerhalb eines Landes beschränkt sein und kommt bevorzugt auf extensiven (Mager-)Weiden vor. In vielen Fällen handelt es sich um abschüssige Weiden mit feuchtem Boden oder einem Wasserlauf am Grundstück. Die Weiden liegen häufig am Waldrand und in den meisten Fällen wurde totes Laub (insbesondere von Ahornbäumen) auf der Koppel gefunden. Die Bedeutung der epidemiologisch ebenfalls gehäuft vorkommenden Eicheln, Bucheckern und Rindenstücken mit Verbiss -Spuren ist bislang ungeklärt. AM scheint durch Weidedüngung mit Pferdemist oder Abschleppen der Weide begünstigt zu werden (Bodenkontamination?!). Auch eine Heu- oder Silagefütterung vom Erdboden gilt wegen einer etwaigen Bakterienvermehrung beim Auftauen nach Anfrieren als Risikofaktor.

c)     Tierabhängige Faktoren.

Betroffen sind (Ganzjahres-) Weidepferde, die nicht oder wenig gearbeitet und nicht zu gefüttert werden. Typischerweise erkranken eher jüngere Pferde oder alte Tiere in normaler bis verminderter Körperkondition. Das gehäufte Auftreten von AM bei Pferden unter 3 Jahre könnte auf eine erhöhte Toxin Exposition oder die spätere Entwicklung einer Immunität zurückzuführen sein. Da von Votion et al. (2009) ein Fall beschrieben wurde, in dem ein Pferd AM überlebt hat, der Erkrankung aber im darauffolgenden Jahr zum Opfer gefallen ist, erscheint eine erworbene Resistenz unwahrscheinlich. Es gibt keine Rasse- oder Geschlechtsprädisposition.

Symptome:

Plötzliche Todesfälle sind bei AM möglich, zumeist werden im Anfangsstadium aber Muskelschwäche, Steifheit, Schwitzen, gerötete Kopfschleimhäute sowie schwankender oder steifer Gang beobachtet. Die Tiere sind apathisch, weisen eine erhöhte Puls- und Atemfrequenz auf und zeigen eine gesenkte Kopf-Halshaltung, die zu einem Ödem im Kopfbereich mit hörbaren Atemgeräuschen führen kann. In einigen Fällen sind Herzarrhythmien oder Herzgeräusche auskultierbar. Die innere Körpertemperatur ist variabel, sowohl Unter-, Normal-, als auch erhöhte Temperatur sind möglich. In seltenen Fällen treten kolikähnliche Schmerzsymptome mit Stöhnen in der Ausatmephase auf, zumeist ist der Appetit jedoch erhalten oder sogar gesteigert. Festliegende Pferde fressen selbst im Liegen noch, einige Patienten zeigen jedoch Kau- und Schluckbeschwerden durch Beteiligung der Kaumuskulatur. Gelegentlich ist der Darmtransport verzögert (trockener Kot im Enddarm, Anschoppungen). Der Harnabsatz ist beeinträchtigt, die Harnblase ist bei der rektalen Palpation hochgradig gefüllt ertastbar und enthält den charakteristischen, rotbaun verfärbten Harn (hochgradige Myoglobinurie).

Der Tod tritt meist nach 12 - 72 Stunden ein, wobei die letzten Ausbrüche 2009 leichter waren und die Überlebensdauer der letztlich nicht - überlebenden Tiere durchschnittlich 5 Tage betrug.

Die Letalität der Erkrankung liegt zwischen 75 % und 90%.

Blutbild:

In der blutchemischen Untersuchung dominieren die stark erhöhten Muskelwerte, gelegentlich findet man erhöhte Leberwerte und Hinweise auf ein sekundäres Nierenversagen. Der Kalziumgehalt ist häufig erniedrigt, bei gleichzeitig erhöhtem Phosphatspiegel. Einige Pferde weisen Stoffwechselentgleisungen mit Hyperlipämie (Fettmobilisationssyndrom) und Insulinresistenz auf. Durch den erhöhten Milchsäuregehalt des Blutes kommt es zur Blutübersäuerung. Hämatologisch beobachtet man zumeist eine Erhöhung der weißen Blutkörperchen.

Prognose:

Die Prognose ist generell vorsichtig bis ungünstig, insbesondere bei festliegenden Tieren. Sie scheint besser zu sein, wenn die Tiere die meiste Zeit des Tages stehen, eine physiologische Schleimhautfarbe aufweisen, keine ausgeprägte Dyspnoe haben und der Sauerstoffpartialdruck im arteriellen Blut normal ist. Des Weiteren steigt die Prognose nach dem Überleben der ersten fünf Tage.

Wenn die Tiere überleben, ist eine vollständige Wiederherstellung ohne Langzeitschäden möglich.

Therapie:

Die Therapie ist primär. Empfehlenswert ist auch das Anbieten von häufigen, kleinen Portionen kohlenhydratreicher Nahrung (Gras, Heu, Getreide, Melasse, Zuckerwasser, Karotten), da biochemisch der Fettmetabolismus der muskulären Mitochondrien gestört ist. Protektive Faktoren:

Vorbeugend wird empfohlen, Weiden, auf denen bereits Pferde erkrankt waren zu meiden und Laub sorgfältig zu entfernen. Bei begünstigenden Wetterkonditionen in Herbst und Frühjahr sollten wenigstens Pferde der bekannten Risikogruppen aufgestallt werden. Ansonsten wären trockene und flache Weiden zu bevorzugen, welche regelmäßig abgemistet und nicht mit Pferdemist gedüngt werden sollten. Die Pferde müssen stets Zugang zu einwandfreiem Leitungswasser haben und sollten rund ums Jahr zu gefüttert werden, allerdings nicht vom Erdboden. Neben Heu ist auch eine adäquate Mineralstoffversorgung wichtig, um Erde fressen zum Ausgleich etwaiger Defizite zu verhindern und eventuell eine  selektivere Futteraufnahme auf der Weide zu erreichen. Ein Leckstein sollte ebenfalls ganzjährig zur Verfügung stehen. Es wird empfohlen, die Tiere regulär zu impfen und zu entwurmen. Bei Weidegenossen erkrankter Tiere sollten zur Identifizierung subklinisch erkrankter Tiere die Muskelwerte kontrolliert werden.

Interne Medizin- Klinik für Pferde

Department für Kleintiere und Pferde

Veterinärmedizinische Universität Wien

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Kontakt: Dr. Silvia Zips 0699/10 77 80 62